Wer KI in der Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung einsetzen will, braucht nicht nur sinnvolle Anwendungsbereiche, sondern auch valide Inhalte. Bringt der KI-Einsatz heute schon einen Lernfortschritt? "Sinnvoll eingesetzt auf jeden Fall", findet Marlo Steinecke, Steuerberater und Gesellschafter-Geschäftsführer der ESH StB-Examensvorbereitung GmbH.
Herr Steinecke, kann KI Vorteile innerhalb der Prüfungsvorbereitung bringen?
Marlo Steinecke: Ja, allerdings müssen dabei die Voraussetzungen stimmen – und das beginnt bereits mit der Bereitstellung von digitalen Lerninhalten. Habe ich diese nicht, kann ich selbstverständlich auch keine KI einsetzen. Dabei taucht sofort eine Frage auf: Wer ist dafür verantwortlich, dass die Inhalte, die KI liefert, tatsächlich korrekt sind – der Prüfling oder der Anbieter der Lerninhalte? Wenn Sie selbst schlicht ChatGPT verwenden, ist die Antwort klar, allerdings würde ich das nicht empfehlen.
Und das trotz eigenen neuen 'Study modes'?
Steinecke: Einfach den Bot fragen, ist gefährlich. ChatGPT mag für normale allgemeinbildende Fächer wie Biologie oder Geografie gut funktionieren, für das Steuerrecht taugt es nicht vollumfänglich, die Probleme sind sehr spezifisch, und man muss ins Detail gehen. Das funktioniert mit ChatGPT nicht. Nicht nur die Qualität der fachlichen Antworten ist ein Problem, sondern auch lerndidaktisch hätte ich Kritik.
Also lieber eine Alternative. Wie lässt sich denn KI sinnvoll für die Prüfungsvorbereitung einsetzen?
Steinecke: Meiner Meinung nach, und auch wenn wir selbst Anbieter sind, ist das wirklich meine tiefste Überzeugung, nur über spezielle professionelle Lösungen. Denn zunächst müssen Sie überlegen, was überhaupt die Probleme bei der Prüfungsvorbereitung sind und dann einen Weg finden, wie KI sie bei der Lösung derselben unterstützen könnte. Für das Steuerberaterexamen sind das klar die begrenzte Zeit der Prüfungsteilnehmer und die Masse an Stoff. Dafür stellen wir verschiedene Tools zur Verfügung, die diesen Problemen beikommen sollen.
Wie sehen diese aktuell aus?
Steinecke: Im Moment gibt es ein KI-Tool zur Erstellung optimierter Notizen beim Lernen, das einfach Zeit sparen soll, indem es auch Bild- oder Audiodateien erzeugt. Daneben geht unser sogenannter Denknoten-Dektor aus dem ESH-Labor einen Schritt weiter: Es hilft den Teilnehmern gezielt an bestimmten Stellen, immer dann, wenn sie etwas nicht verstehen; das Analyseinstrument lässt sie erkennen, warum sie in einer Aufgabe etwas nicht verstehen, und was zum Verständnis benötigt wird. Meist ist das im Übrigen etwas aus dem Grundlagenwissen.
Mithilfe der KI decken die Lernenden ihr Defizit sehr schnell und gezielt auf, können es ausgleichen und anschließend die Aufgabe entweder selbst oder mithilfe eines Dozenten lösen. Außerdem haben wir noch einen Aufgabengenerator entwickelt, mit dem sich unendlich viele Übungsaufgaben zu bestimmten Sachverhalten generieren lassen.
Gibt es noch weitere Entwicklungsthemen oder Einsatzfelder, die Sie perspektivisch sehen?
Steinecke: Was bald kommen wird, ist die Möglichkeit, Übungsklausuren innerhalb von Minuten vollständig korrigiert zu bekommen und außerdem ein persönliches detailliertes Feed-back dazu zu erhalten. Damit können wir die Lernzeit reduzieren und die Nacharbeit auf ein anderes Level heben. Die klassische Korrektur dauert lange und sagt dir nur, was falsch war. Warum und was du persönlich anders machen musst, fehlt leider gänzlich. Das werden wir ändern.
KI bringt also vor allem Effizienz in die Vorbereitung?
Steinecke: Ja, das richtige KI-Tool, begleitet von den richtigen Prozessen, Dokumenten und persönlichem Support generiert unserer Meinung nach einen Vorsprung, der einen extremen Uplift bringt. Allerdings muss dafür wirklich alles stimmig Hand in Hand gehen.
Tatsächlich ist der KI-Einsatz in der Branche an sich aber auch in der Prüfungsvorbereitung noch nicht sehr weit verbreitet...
Steinecke: Es gibt erste Ansätze, manche bieten kleinere Zusatztools an, aber in der Masse läuft die Vorbereitung klassisch ab, in Präsenz- oder Onlinekursen. Allerdings merken wir bei unseren Kundinnen und Kunden, dass es wirklich viele gibt, die KI in der Vorbereitung ausprobieren wollen.
Lassen Sie uns noch auf die andere Seite des Schreibtisches schauen – wie sieht es bei den Prüfungserstellern aus? Sehen Sie hier den Einsatz von KI?
Steinecke: Derzeit laufen ja gerade die Vorbereitungen für eine Reform der Prüfungsordnung, hier wird aktuell hart verhandelt. Es gibt unter den Vorschlägen auch die Ankündigung der flächendeckenden digitalen Prüfung, technisch funktioniert das aber aktuell erst bei vier Steuerberaterkammern. Daher geht es im ersten Schritt jetzt darum, die Prüfung zu digitalisieren, ehe in der Folge auch KI eine Rolle spielen dürfte – allerdings sehe ich das sehr weit in der Zukunft.
Was raten Sie denn aktuell Kandidatinnen und Kandidaten?
Steinecke: Wichtig ist, immer zu schauen, wie sich die Qualität nachvollziehen lässt und natürlich auch zu prüfen, ob KI drin ist, wo KI drauf steht. Aber unabhängig von KI möchte ich noch einmal betonen: Es geht vor allem darum, den persönlichen Voraussetzungen möglichst gut Rechnung zu tragen. Dazu zählen sowohl die fachlichen als auch die organisatorischen und familiären. Wichtig ist, hier eine darauf zugeschnittene Vorbereitungsform zu wählen – denn auch KI ersetzt keine intensive Prüfungsvorbereitung.
Marlo Steinecke ist Steuerberater und Gesellschafter-Geschäftsführer bei ESH-Examensvorbereitung. Das Unternehmen bereitet seit 2020 Kunden - auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten - auf die Steuerberaterprüfung vor. Dahingehend wurde ESH bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem von Focus als Top-Anbieter für Weiterbildung.

Das Steuerberaterexamen besteht seit Jahrzehnten etwa nur die Hälfte der Teilnehmenden auf Anhieb. Bei den jüngeren Jahrgängen ist das anders: Bei den unter 25-Jährigen liegt die Bestehensquote bei 80 Prozent. Warum das so ist, welche Wege zum Steuerberatertitel gefragt sind und wo besonders viel Potenzial steckt, erklärt Lars Nüdling in diesem Interview.
Mehr lesen
Du hast dich entschieden, am 1. August 2025 eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten zu beginnen. Wir wünschen dir einen erfolgreichen Start. In diesem Beitrag erfährst du alles, was du über die Ausbildung wissen musst: von den Ausbildungsinhalten über Verdienstmöglichkeiten bis hin zu konkreten Tipps für deinen ersten Ausbildungstag.
Mehr lesen
Sowohl der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) als auch die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) bieten Steuerberatern eine ganze Reihe von fachlichen Spezialisierungen an, die von Fachberatertiteln begleitet werden. Insgesamt wurden über die beiden Organisationen bereits über 4.700 Fachberatertitel vergeben.
Mehr lesen
Das Klischee vom ärmelschonertragenden, erbsenzählenden, langweiligen Steuerberuf hält sich hartnäckig – allen modernen und innovativen Kanzleien zum Trotz. Wie man in der Branche bei Nachwuchskräften wirklich punkten kann, erzählt Gabriele Fink, Personalreferentin bei der PMPG Steuerberatungsgesellschaft, einer Kanzlei ...
Mehr lesen
Steuerberaterin Claudia Rohe wurde zum 1.1.25 mit 38 Jahren zur Partnerin bei RSM Ebner Stolz in Köln ernannt. Wie ihr Werdegang bis dahin verlief, welche Skills dabei zählten und was sich für sie verändert hat, erzählen die Beraterin und ihr Mentor, Thomas Herzogenrath, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und langjähriger Partner bei RSM, im Interview.
Mehr lesen