Die Arbeitswelt in Deutschland wird noch digitaler. Die Tinte verschwindet, das papierlose Büro kommt. Ab dem 1. Januar 2025 wird es möglich, Arbeitsverträge und Anträge auf Elternzeit digital abzuwickeln (Bundesministerium für Arbeit und Soziales).
Diese Neuerung geht mit einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften einher, die darauf abzielt, Bürokratie zu reduzieren und Unternehmen zu entlasten. Mit der Gesetzesreform wird das Ziel verfolgt, weniger Papierakten zu verwalten und die damit verbundenen Kosten zu senken. Doch was bedeutet das konkret für Beschäftigte und Arbeitgeber?
Bisher war Deutschland das letzte Land in der Europäischen Union, in dem es notwendig war, Arbeitsverträge mit einer handschriftlichen Unterschrift zu versehen (EU-Richtlinien zum Nachweisgesetz). Der neue Ansatz ermöglicht jetzt eine digitale Unterzeichnung und soll Unternehmen von der aufwendigen Papierdokumentation entlasten. Arbeitgeber müssen dabei weiterhin sicherstellen, dass alle wichtigen Vertragsbedingungen nach dem Nachweisgesetz an die Mitarbeiter übermittelt werden, was nun auch in digitaler Form möglich ist.
Ab 2025 können Arbeitsverträge und wesentliche Vertragsbedingungen wie der Beschäftigungsbeginn, Name und Anschrift der Vertragsparteien, sowie Arbeitszeit und -ort einfach per E-Mail, Fax oder sogar WhatsApp übermittelt werden. Die qualifizierte elektronische Signatur ist dabei nicht erforderlich – die „Textform“ reicht in den meisten Fällen aus. Diese Flexibilität ist vor allem für international tätige Unternehmen von Vorteil, die schon oft Schwierigkeiten hatten, sich an die bis dato in Deutschland geltenden Vorschriften anzupassen.
Ein typischer Arbeitsvertrag könnte zukünftig so aussehen: Der Arbeitgeber sendet eine Nachricht per WhatsApp an den Arbeitnehmer und teilt die wichtigsten Vertragskonditionen mit, die der Arbeitnehmer dann einfach bestätigt. Diese Form des Vertragsschlusses ist rechtlich bindend und vereinfacht den Prozess für beide Seiten erheblich. Trotz der Erleichterung empfehlen Arbeitsrechtler wie beispielsweise die Anwälte des Deutschen Anwaltvereins, dass Arbeitgeber alle relevanten Informationen schriftlich dokumentieren und gegebenenfalls eine Bestätigung des Mitarbeiters einholen (DAV Arbeitsrecht).
Für bestimmte Arten von Arbeitsverträgen gilt weiterhin die Notwendigkeit einer eigenhändigen Unterschrift. Darunter fallen befristete Arbeitsverträge (außer Altersbefristungen) und Verträge in Branchen mit erhöhtem Risiko für Schwarzarbeit, wie die Gastronomie, Logistik und Fleischwirtschaft. Auch für Projekt- oder Elternzeitvertretungen bleibt die physische Form erhalten. Diese Ausnahmen gelten, um Rechtssicherheit zu schaffen und Risiken durch digitale Vereinfachungen zu minimieren (DIHK Brancheninfo).
Eine weitere Erleichterung für Arbeitnehmer ist die Möglichkeit, Anträge für Elternzeit, Teilzeit während der Elternzeit und Pflegezeit künftig digital einzureichen (BMFSFJ: Elternzeit und Pflegezeit). Arbeitgeber können Anträge ebenso digital ablehnen, wenn betriebliche Gründe dies rechtfertigen. Diese Änderung erlaubt es Beschäftigten, notwendige Dokumente direkt per E-Mail oder einem internen System einzureichen, was bisher nur in physischer Form möglich war.
Das neue Gesetz betrifft nicht nur Arbeitsverträge. Auch Arbeitszeugnisse, die bislang als physische Dokumente ausgestellt werden mussten, können künftig auf Wunsch der Beschäftigten digital erstellt und übermittelt werden (BMAS: Arbeitszeugnis). Dies kann den Prozess beschleunigen und ist besonders vorteilhaft für Unternehmen, die bereits digitale Personalakten führen. Zudem dürfen gesetzlich vorgeschriebene Aushänge, wie Informationen zum Arbeitszeitgesetz und Jugendarbeitsschutzgesetz, ausschließlich digital zur Verfügung gestellt werden, etwa über das Intranet. Bisher mussten solche Aushänge zusätzlich physisch ausgehängt werden (Gesetze im Internet: Arbeitszeitgesetz).
Eine wesentliche Änderung betrifft die Aufbewahrungspflichten von Unternehmen: Buchungsbelege aus dem Geschäftsverkehr müssen nur noch acht statt zehn Jahre lang aufbewahrt werden, was die Archivierungskosten weiter reduziert. Für Gehaltsabrechnungen bleibt jedoch die Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren bestehen (DATEV: Aufbewahrungsfristen).
Die Gesetzesänderung zur Digitalisierung von Arbeitsverträgen wird von vielen als ein Schritt in Richtung papierloses Büro und effizientere Unternehmensführung gesehen. Dennoch sehen einige Experten die Reform kritisch. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat beispielsweise angemerkt, dass die Änderungen bei weitem nicht alle bürokratischen Hürden abbauen, die aus der Wirtschaft gefordert wurden. Von mehr als 400 Vorschlägen wurden lediglich elf umgesetzt, was den erwarteten Bürokratieabbau in Höhe von rund einer Milliarde Euro jährlich laut IW als unzureichend erscheinen lässt (Institut der deutschen Wirtschaft: Bürokratieabbau).
Die Reform sei dennoch als Schritt in die richtige Richtung zu verstehen. Insbesondere die Möglichkeit, Arbeitsverträge unkompliziert und rechtsverbindlich per WhatsApp abzuschließen, eröffnet für Arbeitgeber und Arbeitnehmer neue Perspektiven und sorgt für mehr Flexibilität. Unternehmen könnten künftig sogar interne Systeme anbieten, über die Beschäftigte ihren Vertragseingang bestätigen und digitale Arbeitszeugnisse einsehen können.
Mit dem neuen Gesetz nähert sich Deutschland dem Ziel eines papierlosen Büros an, auch wenn der Gesetzgeber den „großen Wurf“ verpasst hat. Die digitale Personalakte ist mittlerweile in vielen Unternehmen Standard, und das neue Gesetz könnte in Zukunft noch weiter ausgebaut werden, um auch befristete Arbeitsverträge uneingeschränkt in digitaler Form zu ermöglichen.
Für viele Unternehmen und Beschäftigte dürfte die Digitalisierung von Arbeitsverträgen erhebliche Vorteile bringen. Sie reduziert Kosten, erleichtert administrative Prozesse und passt sich an die zunehmend digitalisierte Arbeitswelt an. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten jedoch darauf achten, dass alle wichtigen Vertragsbedingungen dokumentiert sind, um Missverständnisse zu vermeiden. Die vollständige Umstellung auf digitale Verfahren wird schrittweise erfolgen, doch die aktuelle Gesetzesreform ist ein bedeutsamer Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung der deutschen Arbeitswelt.